Dienstag, 8. Oktober 2013

Definitionssache

Es gibt schönere Termine als sie: Die Arzttermine, genauer die Neuro-Kontroll-Termine. Zu Infusionszeiten ging ich alle vier Wochen ins Klinikum mit Kindle  und Schokolade in der Tasche, ließ mir Blut abnehmen, bekam irgendwann mein OK und die damit verbundene Infusion. Knappe fünf Stunden gehörten nur mir alleine und mit der Zeit lernte ich sogar die anderen Patienten und ihre „Horror-Geschichten“ auszublenden. Hin und wieder kam auch mal ein Arzt vorbei und man hielt ein nettes Schwätzchen. Ein paar Stunden danach fühlte ich mich zwar oft als sei ich vor einen LKW gelaufen aber auch das hatte etwas Beständiges.
Da diese Zeiten aber nun vorbei sind und sich meine „Beschäftigung“ mit der MS nur noch auf morgens beschränkt und das auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, während des Einnehmens meiner Tablette, bin ich jetzt gezwungen alle drei Monate zur Kontrolle beim Neurologen vorstellig zu werden. Dies war dann gestern Nachmittag der Fall. Ein sehr netter und wie ich finde kompetenter Arzt. Ein wenig zu redselig aber gut. Nach einer Stunde warten (Verweis auf den letzten Satz!) durfte ich dann eintreten. „Wie geht’s?“, fragte er mich und ich antwortete dass es mir gut gehe. Darüber freue er sich. Es folgte ein Durchfragen sämtlicher Symptome die man unter MS entwickeln kann und ich verneinte oder gab an dass es hin und wieder (ich erwähnte wohl eine Zeitspanne wie ich später bemerkte) mal da und dort kribbeln würde etc., das Ganze aber nicht wirklich wahrnehmen würde. Schweigen. Weitere Fragen. Untersuchung. Schweigen. „Was ist mit ihrem Auge?“, fragte er. „Ach nichts weiter. Es zuckt seit ein paar Tagen hin und wieder. Wahrscheinlich weil ich im Moment nicht so gut schlafe. Passiert.“ Schweigen. Untersuchung. Er will es filmen. FILMEN? Geht’s noch? Er habe darüber mal eine Veröffentlichung gemacht. Ja toll, dachte ich mir. Ich soll mich wieder setzen und er schaut mich wieder so „Arztmäßig“ an. Ja, Himmel jetzt rede doch mal mit mir. Da zuckt mein Auge ja noch mehr wenn das so weiter geht. Es würde mir nicht gefallen was er mir jetzt sagen würde aber es sei leider kein Stress-Zucken und vor allem in Kombination mit den Symptomen die ich seit 2-3 Wochen hätte, deute alles laut Definition eines solchen auf einen Schub hin. PENG. Jetzt schwieg ich. Kann doch nicht sein. Ich habe immer mal Phasen in denen es mir kurz schwindelig ist etc. aber deshalb gleich ein Schub? Ich hatte seit 19 Monaten keinen mehr. „Frau S.?“, fragte er, „alles ok?“ Was soll man darauf sagen? Ich fragte nach dem Vorgehen und er schlug Cortison vor was ich noch während des Aussprechens dieses Wortes verneinte. Nicht wegen einem zuckenden Auge und den anderen Kleinigkeiten. Ich musste ihm versprechen dass ich umgehend zu ihm käme falls es mir schlecht gehen würde. Ich versprach es und fuhr nach Hause.

Nach nun knapp 24 Stunden Abstand und unzählichen Gedankenfahrten im MS-Karussell habe ich für mich beschlossen dass ein Schub jetzt einfach nicht zur Debatte steht und ich alles überhaupt nicht wahrgenommen und als solchen definiert hätte, wäre der Termin nicht gewesen. Und genau das ist mein bislang größter Sieg und Erfolg in meiner ganzen MS-Laufbahn. Es einfach nicht bemerkt und beachtet zu haben.

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